MedUni Wien RESEARCHER OF THE MONTH, Jänner 2022
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Die Jury „Researcher of the Month” verleiht die Auszeichnung für diesen Monat Frau Mag.a Tamara Weiss, PhD und Frau Dr.in Sabine Taschner-Mandl aus Anlass der im Top-Journal „Nature Communications“ (IF 14,92) erschienenen Arbeit „Schwann cell plasticity regulates neuroblastic tumor cell differentiation via epidermal growth factor-like protein 8“. Die multidisziplinäre Studie entstand im Forschungslabor für Tumorbiologie der St. Anna Kinderkrebsforschung und wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Analytische Chemie der Universität Wien, der Universitätsklinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie sowie der Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie der MedUni Wien realisiert.
Natürliche "Bremse" gegen bösartige Neuroblastome
Der menschliche Körper besteht aus hoch spezialisierten Komponenten. Knochen und Weichteilgewebe definieren die Form, Organe kümmern sich um den Blutkreislauf, die Verdauung und andere Funktionen, und Immunzellen bekämpfen Krankheitserreger [2]. Tatsächlich haben viele Zelltypen und Organe aber mehr als nur eine Rolle.
Neuroblastome sind die am häufigsten vorkommenden Tumore im Kindesalter. Es gibt gutartige und bösartige Formen, die sich vor allem in ihrer Zusammensetzung unterscheiden. Bösartige Neuroblastome bestehen aus neuroblastischen Tumorzellen, die sich unkontrolliert vermehren. Im Gegensatz dazu sind in gutartigen Neuroblastomen neben differenzierten Tumorzellen auch viele „Schwann-Zellen“ vorhanden. Schwann-Zellen kommen normalerweise nur in peripheren Nerven vor und ihre Aufgabe besteht darin, Axone zu isolieren oder nach einer Verletzung zu reparieren. Daher war das Ziel unserer Studie herauszufinden, welche Rolle die Schwann Zellen im Tumor spielen und ob sie die gutartige Tumorentwicklung beeinflussen.
Dazu wurden Neuroblastome und periphere Nerven mittels RNA-Sequenzierung analysiert und erstmals miteinander verglichen. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die Schwann-Zellen im gutartigen Neuroblastom den gleichen zellulären Status wie Schwann-Zellen nach einer Nervenverletzung aufweisen. Die Schwann-Zellen im Neuroblastom befinden sich also in einem speziellen ‚Reparaturmodus‘. Ähnlich wie nach einer Nervenverletzung könnten die Schwann-Zellen dadurch in der Lage sein, die neuronalen Tumorzellen zur Reifung anzuregen und ihr ungebremstes Wachstum zu stoppen. Um dies weiter zu untersuchen haben wir ein Ko-kultur Model entwickelt, in dem neuroblastische Tumorzellen entweder direkten oder nur indirekten Kontakt mit Schwann-Zellen im Reparaturmodus hatten. Die Schwann-Zellen waren in beiden Konditionen in der Lage die neuronale Differenzierung der Tumorzellen anzuregen und deren Wachstum einzubremsen. Die Suche nach Signalmolekülen, die von Schwann-Zell produziert werden und diesen Effekt vermitteln könnten, hat unsere Aufmerksamkeit auf das epidermale Wachstumsfaktor-ähnliche Protein 8 (EGFL8) gelenkt. Über dessen Funktion war bislang nichts bekannt. Wir konnten nachweisen, dass die Zugabe von EGFL8 ausreicht um die neuronale Differenzierung neuroblastischer Tumorzellen auszulösen. Zudem korreliert eine hohe Expression von EGFL8 in Neuroblastomen mit einem längeren Überleben von PatientInnen. Mittels der Phosphoproteomics-Methode konnten wir auch entschlüsseln welche Signalwege in Tumorzellen durch EGFL8 angeschaltet werden. Neben EGFL8 stellen diese nachgeschalteten Signalwege mögliche Angriffspunkte für zukünftige Behandlungsmethoden von Neuroblastomen dar.
Diese Studie hat EGFL8 als neuen, potenten Faktor identifiziert, der die neuronale Differenzierung stimuliert. EGFL8 könnte daher nicht nur für die Behandlung von Neuroblastomen, sondern auch von verletzten peripheren Nerven von Bedeutung sein.
Wissenschaftliches Umfeld
Diese Studie wurde durch eine lang bestehende, enge und interdisziplinäre Zusammenarbeit von WissenschafterInnen der St. Anna Kinderkrebsforschung, der Medizinischen Universität Wien und der Universität Wien ermöglicht. Die Tumorproben und Zelllinien stammen aus der Biobank der St. Anna Kinderkrebsforschung, die humanen peripheren Nerven stammen von einer Kooperation mit Herrn Univ.-Prof Dr. Reinhard Windhager, Leiter der Universitätsklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie. Die Proteom- und Phosphoproteom-Experimente wurden vom Team um Univ.-Prof. Dr. Christopher Gerner der Universität Wien durchgeführt. Der überwiegende Teil der Experimente wurde an der St. Anna Kinderkrebsforschung im Rahmen der Doktorarbeit von Tamara Weiss im Forschungslabor von Assoc.-Prof. Peter F. Ambros durchgeführt. Sabine Taschner-Mandl hat diese Studie maßgeblich designt und die funktionellen Analysemethoden entwickelt. Die Publikation zur Studie wurde in enger Zusammenarbeit der Forscherinnen 2020 finalisiert und die gewonnenen Erkenntnisse sind bereits in neue Forschungsprojekte eingeflossen. Daher besteht die Kooperation zwischen der Medizinischen Universität Wien, der St. Anna Kinderkrebsforschung und der Universität Wien bis heute und ermöglicht es seltene Proben von periphere Nerven und Tumoren mit höchstmodernen Methoden zu analysieren und miteinander zu vergleichen um deren Funktion und Aufgaben besser zu verstehen. Die Ähnlichkeiten zwischen regenerativen und pathologischen Prozessen in neuralem Gewebe sind erstaunlich. Das Ziel ist die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen zu nutzen und neue Therapien für verletze Nerven und Neuroblastome zu entwickeln.
Zu den Personen
Mag.a Tamara Weiss, PhD, studierte Molekulare Biologie an der Universität Wien und hat für ihre Diplomarbeit als Gastwissenschaftlerin im Anne McLaren Labor für regenerative Medizin am MRC Cambridge Stem Cell Institute der Universität von Cambridge geforscht. Anschließend studierte sie an der Medizinischen Universität Wien im PhD Programm N094 mit dem Schwerpunkt ‚Maligne Erkrankungen‘, das sie 2017 mit Auszeichnung abschloss. Seit 2018 ist Tamara Weiss Postdoc und Laborleiterin des Forschungslabors der Universitätsklinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie an der Medizinischen Universität Wien. Dort lehrt sie im Diplomstudium Humanmedizin und in diversen PhD Programmen. Ihre Forschung ist umfassenden Charakterisierung von humanen Schwann-Zellen gewidmet um deren Rolle in der Regeneration und in Pathologien peripherer Nerven, sowie in unterschiedlichen Tumoren zu untersuchen.
Dr.in Sabine Taschner-Mandl hat ihr Doktoratstudium an der Medizinischen Universität Wien mit dem Schwerpunkt ‚Immunologie‘ mit Auszeichnung abgeschlossen. Es folgte eine Postdoc Anstellung an der St. Anna Kinderkrebsforschung und ein Aufenthalt Taschner-Mandls als Gastwissenschaftlerin bei Significo und der University of Helsinki im Rahmen des EC-FP7-Marie-Curie-Programms. Seit 2018 ist Sabine Taschner-Mandl Gruppenleiterin der Forschungsgruppe für Tumorbiologie und ihre wissenschaftlichen Leistungen wurden bereits mit hochdotierten Grants (FWF, WWTF, FFG, EC H2020) ausgezeichnet. Zusätzlich übt sie Lehrtätigkeiten an der Medizinischen Universität Wien sowie der Technischen Universität Wien aus. Der Fokus ihres Forschungslabors liegt in der Erforschung von Mechanismen der Krebsentstehung und Metastasierung, der Entwicklung neuer diagnostischer Verfahren und therapeutischen Ansätzen für Neuroblastome und andere pädiatrische Krebserkrankungen, um zukünftig Kindern mit malignen Tumoren präzisere Behandlungsmöglichkeiten bieten zu können.
Ausgewählte Literatur
- Schwann cell plasticity regulates neuroblastic tumor cell differentiation via epidermal growth factor-like protein 8. Weiss T, Taschner-Mandl S, Janker L, Bileck A, Rifatbegovic F, Kromp F, Sorger H, Kauer MO, Frech C, Windhager R, Gerner C, Ambros PF, Ambros IM. (2021) NATURE COMMUNICATIONS, 2021 Mar 12;12(1):1624. doi: 10.1038/s41467-021-21859-0. PMID: 33712610; PMCID: PMC7954855.
- Landscape of Bone Marrow Metastasis in Human Neuroblastoma Unraveled by Transcriptomics and Deep Multiplex Imaging. Lazic D, Kromp F, Rifatbegovic F, Repiscak P, Kirr M, Mivalt F, Halbritter F, Bernkopf M, Bileck A, Ussowicz M, Ambros I M, Ambros, P F, Gerner C, Ladenstein R, Ostalecki C, Taschner-Mandl S. (2021) Cancers. 13(17):4311. https://doi.org/10.3390/cancers13174311
- Multimodal analysis of cell-free DNA whole-genome sequencing for pediatric cancers with low mutational burden. Peneder P, Stütz A M, Surdez D, Krumbholz M, Semper S, Chicard M, Sheffield N C, Pierron G, Lapouble E, Tötzl M, Ergüner B, Barreca D, Rendeiro A F, Agaimy A, Boztug H, Engstler G, Dworzak M, Bernkopf M, Taschner-Mandl S, Ambros I M, Myklebost O, Marec-Bérard P, Burchill S A, Brennan B, Strauss S J, Whelan J, Schleiermacher G, Schaefer C, Dirksen U, Hutter C, Boye K, Ambros P F, Delattre O, Metzler M, Bock C, Tomazou E M. (2021) NATURE COMMUNICATIONS, May 28;12(1):3230. doi: 10.1038/s41467-021-23445-w.
- Defining the regenerative effects of native spider silk fibers on primary Schwann cells, sensory neurons, and nerve-associated fibroblasts. Millesi F, Weiss T, Mann A, Haertinger M, Semmler L, Supper P, Pils D, Naghilou A, Radtke C. (2020) FASEB J. doi: 10.1096/fj.202001447R. Epub 2020 Nov 19. PMID: 33210360.
- An annotated fluorescence image dataset for training nuclear segmentation methods. Kromp F, Bozsaky E, Rifatbegovic F, Fischer L, Ambros M, Berneder M, Weiss T, Lazic D, Dörr W, Hanbury A, Beiske K, Ambros P F, Ambros I M & Taschner-Mandl S (2020). NATURE SCIENTIFIC DATA, 7(1), 262. https://doi.org/10.1038/s41597-020-00608-w
- Assessment of Pre-Analytical Sample Handling Conditions for Comprehensive Liquid Biopsy Analysis. Gerber T, Taschner-Mandl S, Saloberger-Sindhoringer L, Popitsch N, Heitzer E, Witt V, Geyeregger R, Hutter C, Schwentner R, Ambros I A, and Ambros P F (2020) J Mol Diagn. https://doi.org/10.1016/j.jmoldx.2020.05.006
- Automated image analysis of stained cytospins to quantify Schwann cell purity and proliferation. Weiss T, Semmler L, Millesi F, Mann A, Haertinger M, Salzmann M, Radtke C. (2020) PLOS ONE, May 22;15(5):e0233647. doi: 10.1371/journal.pone.0233647.
- Adipose Stem Cell-Derived Extracellular Vesicles Induce Proliferation of Schwann Cells via Internalization. Haertinger M, Weiss T, Mann A, Tabi A, Brandel V, Radtke C. (2020) CELLS. Jan 9;9(1). pii: E163.
- Metronomic topotecan impedes tumor growth of MYCN-amplified neuroblastoma cells in vitro and in vivo by therapy induced senescence. Taschner-Mandl S, Schwarz M, Blaha J, Kauer M, Kromp F, Frank N, Rifatbegovic F, Weiss T, Ladenstein R, Hohenegger M, Ambros IM, Ambros PF. (2016) ONCOTARGET, 7: 3571-3586
- Proteomics and transcriptomics of peripheral nerve tissue and cells unravel new aspects of the human Schwann cell repair phenotype. Weiss T, Taschner-Mandl S, Bileck A, Slany A, Kromp F, Rifatbegovic F, Frech C, Windhager R, Kitzinger H, Tzou CH, Ambros PF, Gerner C, Ambros IM. (2016) GLIA, 64: 2133-2153